Es gibt zu 2024 so gut wie keine Zahlen zu Abschiebungen vom österr. Innenministerium und auch die Neos, die in den letzten Jahren sehr gute, regelmäßige parlamentarische Anfragen dazu gestellt haben, hatten in den letzten Monaten einen anderen Fokus. Das wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern und ich hoffe, die Grünen springen hier ein und übernehmen die parlamentarischen Anfragen ans Innenministerium.
Parlamentarische Anfragebeantwortungen des Innenministeriums sind aber zum Glück nicht die einzige Informationsquelle. Aus Zahlen des Statistischen Amts der EU, Flugbeobachtungen, Frontexdaten, Pressemitteilungen und ein paar Statistiken aus BMI und BFA kann man eine ganz gute Übersicht zu Abschiebungen aus Österreich 2024 erstellen.
Ein Großteil der Abschiebungen (fast 75%) betrifft wie immer EU-Bürger*innen. 31% aller Abgeschobenen sind Slowak*innen. Sehr viele Abschiebungen erfolgen auch nach Ungarn, Polen und Rumänien.
Im Folgenden geht es um die 25% Abschiebungen von Drittstaatsangehörigen (also Menschen mit einer nicht-europäischen Staatsbürgerschaft) in ein Drittland – also explizit nicht um Dublin-Überstellungen, mit denen Menschen in ein anderes EU-Land gebracht werden, weil das andere Land für das Asylverfahren zuständig ist.
Wohin werden Menschen abgeschoben?
Das Innenministerium beharrt seit Jahren darauf, dass sie keine Statistiken dazu führen, wohin Menschen abgeschoben werden. Das erscheint etwas absurd, aber ok.
“Es wird angemerkt, dass Statistiken zu Außerlandesbringungen grundsätzlich nach Staatsangehörigkeit und nicht nach Zieldestination geführt werden.”
schreibt das BMI in jeder parlamentarischen Anfragebeantwortung auf die Frage, wohin Menschen abgeschoben werden.
Zum Glück gibt’s andere Informationsquellen, die dazu sehr belastbare Statistiken haben, die auch einem Gegencheck mit anderen Zahlen Stand halten. Die Frage, wohin Menschen abgeschoben werden, lässt sich also sehr wohl beantworten.
2024 wurden 1450 Drittstaatsangehörige* aus Österreich abgeschoben.
1230 Menschen wurden in das Land ihrer Staatsangehörigkeit abgeschoben.
50 (vor allem Kosovar*innen) wurden in einen „anderen Drittstaat“ abgeschoben und nicht in das Land ihrer Staatsangehörigkeit.
160 (vor allem Syrer*innen, Afghan*innen und Nigerianer*innen) wurden in ein EU- oder EFTA-Land abgeschoben. Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich um Personen, die in einem anderen Land bereits einen Aufenthaltstitel haben (im Unterschied zu Dublin-Überstellungen!)
2024 gab es Abschiebungen in die folgenden Drittstaaten:
Drittstaat | Anzahl* |
Serbien | 350 |
Türkei | 155 |
Irak | 80 |
Indien | 75 |
Georgien | 75 |
Albanien | 70 |
Nigeria | 65 |
Bosnien | 55 |
Marokko | 40 |
Kosovo | 35 |
Moldawien | 35 |
Nord Mazedonien | 25 |
Russland | 20 |
Montenegro | 15 |
Algerien | 15 |
Armenien | 15 |
Tunesien | 10 |
Kolumbien | 10 |
Pakistan | 10 |
Azerbaijan | 10 |
China | 10 |
Belarus | 5 |
Ägypten | 5 |
Gambia | 5 |
Venezuela | 5 |
Mongolei | 5 |
* Zahlen werden von Eurostat auf 5 gerundet!
Wie finden Abschiebungen statt?
In den Medien und in der Öffentlichkeit gibt es einen großen Fokus auf Charterabschiebungen. Dabei werden ganze Flugzeuge gemietet um Menschen zwangsweise außer Landes zu bringen. Eine Liste der Charterflüge aus Österreich gibt es hier: Charterflüge 2024. Ein Großteil der Abschiebungen findet allerdings auf ganz normalen Linienflügen statt – in der hintersten Reihe eines Fluges in die Türkei, nach Marokko oder Ägypten.
Charterflüge gab es 2024 aus Österreich nach Nigeria, Armenien, Georgien, Belarus, Irak und Pakistan.
Diese Flüge werden von Frontex, der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache koordiniert und die EU-Staaten erhalten von Frontex das Geld für die Flüge zurück. In den meisten Fällen gibt es ein organisierendes Land und mehrere Länder, die als “participating states” an einem Flug teilnehmen. Österreich hat 2024 drei Flüge in den Irak organisiert – an allen anderen Chartern war Österreich als participating state beteiligt. Meistens handelt es sich um Charter aus Deutschland, an denen viele verschiedene Staaten teilnehmen. Im Oktober gab es zum Beispiel einen Flug von Deutschland nach Nigeria und Ghana in dem Menschen aus Deutschland, Österreich, Luxemburg, Polen und Ungarn abgeschoben wurden. Mit einem Charter im Juni wurden Iraker*innen aus Österreich, Tschechien, Belgien, Deutschland und Litauen zwangsweise in den Irak gebracht. Es gab auch Kooperationen mit Island, Zypern, Spanien, Finland und Schweden.
Im Jahr 2024 hat Frontex aus ganz Europa 249 Charterflüge koordiniert und bezahlt.