Das BMI hat endlich neue Statistiken – ich hab mich allerdings zu früh gefreut.

Das Innenministerium veröffentlicht seit Jahren monatliche Statistiken zum Asylwesen, aber die enthalten nur Zahlen zu den Asylanträgen und Entscheidungen des BFA. Also nur Informationen zu einem sehr, sehr kleinen Teil des Asyl- und Fremdenwesens in Österreich. Offizielle Informationen zu Dublin-Verfahren, Aberkennungen, Abschiebungen, Familienverfahren und unbegleiteten Minderjährigen hat man nur über parlamentarische Anfragen bekommen oder über Presseaussendungen des BFA, wenn das Thema gerade politisch gepusht werden sollte.

Druck von mehreren Seiten hat nun offenbar dazu geführt, dass die Informationspolitik des Innenministeriums geändert wurde. 2021 hat das BMI mit der Fachhochschule St. Pölten die „Transparenz und Veröffentlichung der Daten der Asyl- und Fremdenrechtsstatistik des Innenministeriums“ evaluiert und im Oktober 2021 einen Endbericht dazu erstellt. Der Bericht stellt Österreich im Ländervergleich ein gutes Zeugnis aus (no na ned…), empfiehlt aber Verbesserungen in der grafischen Darstellung, die zusätzliche Bereitstellung von Daten zu Dublin-Verfahren, Grundversorgung, Abschiebungen und Aberkennungen und die Verwendung von Excel oder offenen Dateiformaten (z.Bsp CSV).

Es gibt tatsächlich neue monatliche und quartalsweise Statistiken. Excel- oder csv-Dateien gibt es natürlich weiterhin nicht. Wär ja auch zu schön gewesen, wenn man sich das alles runterladen und genauer anschauen könnte. Die monatlichen Statistiken werden jetzt eingeleitet von ausgedehnten Grafiken, die meiner Meinung nach immer noch nicht wahnsinnig übersichtlich sind. Aber ok. Der Rest der monatlichen Asylstatistik ist mehr oder weniger gleich geblieben. Man findet nach Staatsangehörigkeit, Geschlecht und Alter aufgeschlüsselte Zahlen zu Asylanträgen und Entscheidungen. Wirklich neu sind lediglich die Angaben zur Grundversorgung. (Wie viele Menschen befinden sich aktuell in Grundversorgung).

Quelle: BUNDESMINISTERIUM für INNERES (Asylstatistik März 2022)

 

Zusätzlich zur monatlichen Statistik gibt es jetzt eine quartalsweise Statistik, in der das BFA Angaben zu Familienverfahren, Aberkennungen, Rückkehrentscheidungen, Dublin-Verfahren und Ausreisen macht. Der Bericht ist gut versteckt auf der Homepage des Innenministeriums unter „Detailstatistik – Kennzahlen BFA“ zu finden. Es gibt jetzt also tatsächlich zum ersten Mal vom Innenministerium proaktiv veröffentlichte Zahlen zu Abschiebungen. Keine parlamentarischen Anfragen mehr zu dem Thema? Kein monatelanges Warten auf Angaben aus dem BMI? Kein Herumrätseln? Kann ich endlich den Blog einstellen, weil’s jetzt alle Infos vom BFA selbst gibt? Leider nein. Zu früh gefreut.

Das Innenministerium veröffentlicht zum Thema „Ausreisen“ folgende Statistik. Und wie immer muss man sie sehr genau lesen, um die richtigen Informationen zu erhalten, weil in der Statistik “freiwillige” Ausreisen, Dublinüberstellungen in andere EU-Länder und Abschiebungen gemeinsam aufgeführt sind.

Quelle: BUNDESMINISTERIUM für INNERES

Am Beispiel „Nigeria“ (Achtung, auch hier wieder die Warnung: Es handelt sich um Menschen mit nigerianischer Staatsangehörigkeit und nicht unbedingt Abschiebungen nach Nigeria!)

Im ersten Quartal 2021 (also Jänner bis März 2021) sind 35 Nigerianer*innen zwangsweise ausgereist. 13 davon wurden abgeschoben (vermutlich nach Nigeria), 22 sind in ein anderes EU-Land dublinüberstellt worden. Im gleichen Zeitraum sind 29 Nigerianer*innen freiwillig ausgereist. 22 wurden dabei unterstützt (sprich: Die Ausreise wurde von der Rückkehrberatung organisiert), 6 sind anderweitig ausgereist und 1 Person ist gemäß §133a StVG ausgereist. Nach dieser Regelung wird verurteilten Menschen die Reststrafe erlassen, wenn sie bereits die Hälfte einer Haftstrafe abgesessen haben und freiwillig ausreisen. Zusätzlich wird ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt.

Abgeschoben wurden in den ersten 3 Monaten also 769 Menschen. Von 87 Personen weiß man nicht, welche Staatsangehörigkeit sie haben, weil sie unter „Rest“ subsummiert werden. Das Innenministerium gibt zwar jetzt im Gegensatz zu parlamentarischen Anfragen die „Top20“-Staatsangehörigkeiten an, aber der “Rest“ ist noch immer ein riesiger Teil und das ist ein Problem. Ein weiteres Problem ist das Festhalten des BMI an den Statistiken nach Staatsangehörigkeit, obwohl inzwischen klar ist, dass es BMI interne Statistiken nach Zieldestination geben muss. (siehe unter anderem diese Antwort des BMI auf eine parlamentarische Anfrage letzten Sommer)

Screenshot: 3599/AB-BR vom 7.7.2021

Weil es in dieser Quartalstatistik auch keine Angaben zu Charterflügen, Abschiebungen von Minderjährigen oder Schubhaftzahlen gibt, wird es weiterhin parlamentarische Anfragen brauchen um diese Infos zu erhalten. Es ist ein positiver erster Schritt, dass die öffentlichen Statistiken verbessert wurden, aber das Innenministerium kann so natürlich argumentieren, transparenter zu sein ohne Infos veröffentlichen zu müssen, die sie nicht bekanntgeben möchten. Man erhält also weiterhin nur die Infos, die dem Innenministerium genehm sind. Und man wird sehr genau auf Presseaussendungen und Berichte achten müssen, in denen die Zahlen von Abschiebungen, freiwilligen Ausreisen und Dublinüberstellungen vermischt werden.

Quelle: Bundesministerium für Inneres Asyl-Statistiken