7 Fakten zu Abschiebungen 2021

2021 gab es von offizieller Seite, sprich vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und vom Innenministerium, so wenige Informationen zu den Abschiebungen wie seit Jahren nicht mehr. So fehlt zum Beispiel für 2021 die Halbjahresbilanz des BFA, die seit 2015 eigentlich jeden Sommer veröffentlicht wird. Ich bin mal gespannt, ob es im Februar eine Jahresbilanz geben wird. Diese 2 Statistiken sind mehr oder weniger die einzigen Zahlen, die das BFA zu Abschiebungen von sich aus bekannt gibt. Zu den einzelnen Charterflügen gibt es manchmal Presseaussendungen, aber auch nicht immer. Andere Informationen gibt das Innenministerium nur bekannt, wenn es in parlamentarischen Anfragen explizit danach gefragt wird.

Also gibt’s die Infos gesammelt hier. 7 Fakten zu den Abschiebungen 2021:

Es waren vermutlich um die 40 Charterflüge gesamt. Eine Liste der 32 Flüge, die ich mit flighttracking gefunden hab und verifizieren konnte, findet man hier.

 

Am 3.8.2021 hätte noch ein Charterflug nach Afghanistan stattfinden sollen. Menschen waren schon in Schubhaft, das Flugzeug schon vorbereitet. Aber die Wiener NGO “Deserteurs- und Flüchtlingsberatung” hat am Tag davor beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine “interim measure” für einen ihrer Klienten erreicht. Der Flug wurde daraufhin abgesagt (natürlich nicht wegen der Entscheidung des EGMR, wie das Innenministerium betonte…) Wer nochmal nachlesen will, was da genau passiert ist, kann das hier auf der Seite der “Dessi” machen.

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich ab Anfang August täglich weiter verschlechtert, die Taliban sind immer weiter vorgerückt und schlussendlich hat auch Frontex die Charterflüge nach Afghanistan eingestellt. Das Innenministerium wollte trotzdem an Abschiebungen festhalten und hat laut elektronischem Amtsblatt der EU noch am 10.8.2021 den Auftrag für einen weiteren Flug vergeben. Das war 5 Tage vor dem Talibaneinmarsch in Kabul und 7 Tage nach der einstweiligen Verfügung des EGMR – also als seit Tagen jedem klar sein musste, dass Abschiebungen nicht mehr möglich sein werden.

Screenshot: Tenders electronic daily, Supplement zum elektr. Amtsblatt der EU

Der Flug fand dann auch nicht mehr statt. Aber es zeigt, wie beharrlich und in absoluter Verkennung der Sicherheitslage das Innenministerium noch um jeden Preis weiter abschieben wollte. Noch am 14. August, dem Tag, an dem die Machtübernahme der Taliban beschlossen wurde und der damalige Präsident Ashraf Ghani das Land fluchtartig verlassen hat, hat Innenminister Nehammer im Standard verkündet: “Wir müssen so lange abschieben, wie es geht. Wir arbeiten an einem Flug – in Kooperation mit Afghanistan.”

 

Alle anderen Abschiebungen fanden auf Linienflügen und sehr selten mit Bussen statt. In welche Länder weiß das Innenministerium offiziell nicht, weil “Statistiken zu Abschiebungen nach Staatsangehörigkeit und nicht nach Zielstaat geführt werden”. Sprich: Das Innenministerium kann zwar zu Beispiel sagen, wie viele Syrer*innen/Afghan*innen/Somalier*innen,… abgeschoben werden, aber nicht wohin. Ja…

Wie man trotzdem etwas Licht in die Sache bringen kann, kann man in diesem Blogpost nachlesen: Gibt es eigentlich Abschiebungen nach…?

 

Zusatz: Tina (die Schülerin, die mit großem medialem Echo nach Georgien abgeschoben wurde und jetzt zum Glück zurück in Österreich ist) ist bei weitem kein Einzelfall. Trotzdem wurden 2021 viel, viel weniger Minderjährige abgeschoben als in den Vorjahren. 2020 waren es noch 67 Kinder und Jugendliche, 2019 waren es 105. Ich hoffe, da hat tatsächlich (auch mit Unterstützung der Kindeswohlkommission?) ein Umdenken eingesetzt.

 

Es gibt auch offiziell keine Statistiken dazu…

  • wohin Menschen abgeschoben werden (weil die Statistiken nach Staatsbürgerschaft und nicht nach Zielland geführt werden).
  • wie lange Menschen in Schubhaft sind (weil die reine Schubhaftdauer nicht erfasst wird, sondern zum Beispiel Verwaltungsstrafhaft mit einschließt).
  • ob die Minderjährigen in Schubhaft begleitet oder unbegleitet in Österreich sind. (Die Beantwortung dieser Frage wäre laut Innenministerium ein zu hoher Verwaltungsaufwand.)

 

Charterabschiebungen sind auch ein finanzieller und ökologischer Wahnsinn, bei dem mit einem ungeheuren Personalaufwand der Öffentlichkeit suggeriert werden soll, dass das Innenministerium Härte zeigt und Abschiebungen durchsetzt.

In Wahrheit werden da Einzelpersonen unter großem finanziellem (so ein Charterflug verursacht sehr schnell 5-stellige Kosten) und personellem Aufwand in die ganze Welt geflogen. Nachzulesen zum Beispiel im Blogpost “War das der teuerste Abschiebecharter, den es aus Österreich je gab?” über einen Flug im Mai 2021, auf dem 6 (!!) Menschen für 16.000 Euro pro Person nach Georgien abgeschoben wurden.

 

Gerade Pakistan hat zum Beispiel sehr strenge Regeln und erlaubt eigentlich nur vollständig Geimpften die Einreise. Für “Expired Visa/illegal immigrants/deportees” gibt es allerdings eine Ausnahme – die Einreise ist ihnen aus jedem Land der Welt auch ohne Impfung erlaubt. Das offizielle Dokument auf Englisch dazu hier: “Covid-19 Guidelines concerning inbound travel to Pakistan“.

Auch Nigeria hat bei seinen strengen Einreisebestimmungen eine Ausnahme für Abschiebungen gemacht. Eigentlich sieht die Regelung einen negativen PCR-Test vor Abflug (und dann weitere Tests nach der Landung bzw. Quarantäne je nach Impfstatus) vor. Am 12. Oktober 2021 konnte aber trotzdem eine Charterabschiebung aus Österreich und Norwegen ohne vorherige PCR-Tests stattfinden. Laut BFA ein Sonderflug für “Testverweigerer”, die in Schubhaft keinen Test machen wollten.