Schiebt Österreich wirklich mit Bosnien und Serbien Menschen ab?

Alle paar Monate poppt in österreichischen Medien und einschlägigen Gruppen die Meldung auf, Österreich schiebe mit Bosnien und Serbien zusammen Menschen ab oder bringe in Österreich abgelehnte Asylwerber*innen nach Bosnien oder Serbien in eigene Camps. Aber was ist da dran? Ich hab mir dazu mal die aktuellen Medienberichte und parlamentarischen Anfragebeantwortungen angeschaut.

Im Prinzip geht es da um 2 getrennte Dinge. Das eine ist eine Zusammenarbeit von Österreich mit Bosnien bei Rückführungen, das andere ist ein Plan, abgelehnte Asylwerber*innen nach Serbien abzuschieben und dort in Camps unterzubringen.

Abschiebungen mit Bosnien-Herzegowina

Das Innenministerium plant nicht, in Österreich abgelehnte Asylwerber*innen nach Bosnien oder über Bosnien in ihre Herkunftsländer abzuschieben – auch wenn dem Innenministerium vielleicht ganz Recht ist, dass man das denken könnte. Bosnien ist kein EU-Land und kann deshalb weder Abschiebungen über Frontex organisieren, noch gibt es von Frontex Ausbildung oder finanzielle Refundierung für Abschiebungen. Und hier will jetzt Österreich ins Spiel kommen. Es geht darum, dass Österreich bosnische Eskortbeamt*innen ausbildet, diese Beamt*innen auch als als Beobachter*innen an Charterflügen teilnehmen und es jede Menge Videokonferenzen zum „Abstecken der gemeinsamen Aufgaben, einer Ist-Stands-Erhebung der Lage und Bedürfnisse vor Ort in Bosnien-Herzegowina sowie der Vermittlung probater Arbeitsprozesse („best practice“) in der Rückkehrvorbereitung und Durchführung von Außerlandesbringungen“ gibt. Ende Juli 2021 ist auch ein Rückführungsabkommen zwischen Bosnien und Pakistan in Kraft getreten, das 2020 ausgehandelt wurde. Zwischen den Zeilen kann man in parl. Anfragebeantwortungen, Aussendungen und Presseberichten herauslesen, dass Österreich da ev. eine Vermittlerrolle hatte und auch in Zukunft plant, bei Verhandlungen mit Drittstaaten zu helfen.

Das Ziel ist laut Nehammer „den Migrationsdruck durch die Unterstützung direkter Abschiebungen aus Bosnien-Herzegowina verringern und die richtige Botschaft in die Herkunftsländer” zu schicken, “dass es keinen Sinn hat sich auf den Weg zu machen”. Derzeit seien 1.200 Pakistani in Bosnien-Herzegowina, “deren Ziel es ist, nach Mitteleuropa weiterzukommen”, heißt es in einer Mitteilung des Innenministeriums. Sie hätten aber laut dem Innenminister “keine Chance auf Asyl in der EU”. Laut parl Anfragenbeantwortung ist das jeweilige Land (also Bosnien) selbst zuständig um zu entscheiden, wer Asyl in Bosnien bekommt und wer nicht und deshalb abgeschoben werden soll. Österreich helfe nur bei der Organisation der Abschiebung. Man müsse mit den Rückführungen nämlich “bereits vor den Toren der EU beginnen”.

Der zuständige bosnische Sicherheitsminister spricht übrigens von 3000 Pakistanis, die abgeschoben werden sollen und sagt, die neue bosnische Vorgehensweise (also Abschiebungen) betreffe „illegale Wirtschaftsmigranten aus Pakistan, Bangladesh, Afghanistan, Marokko, Algerien, Tunesien und Irak.“ Er wünscht sich außerdem, dass das Geld, das die EU zur Zeit für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellt, in Zukunft für Abschiebungen verwendet wird. Bosnien sei nicht „der Parkplatz der EU“.

Ob es den im April 2021 groß angekündigten Charterflug aus Bosnien nach Pakistan inzwischen gab? In den parl. Anfragebeantwortungen ist die Antwort dazu ausweichend und ich habe auch sonst nirgends etwas dazu gefunden. Mein Gefühl ist, es gab viele Videokonferenzen und Workshops und „best practice Gespräche“, aber ich glaube nicht, dass es tatsächlich schon einen Flug gab. Wenn man sich aber die Wortwahl bosnischer Politiker anschaut, ist die Richtung allerdings klar. Das wird sich in den nächsten Monaten wohl noch verschärfen, wenn neue Fluchtbewegungen aus Afghanistan stattfinden.

Engin Akyurt, unsplash
Abschiebungen nach Serbien

im April 2019 hat der damalige Innenminister Herbert Kickl eine Vereinbarung mit Serbien geschlossen um in Österreich abgelehnte Asylwerber*innen nach Serbien abschieben zu können. Österreich wollte dort eigene Unterkünfte dafür finanzieren. Nehammer hält laut Aussendung an dem Projekt fest. „Illegal in Österreich aufhältige Fremde, bei denen eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt, sofern die Abschiebung in den Herkunftsstaat nicht möglich ist und ein ausreichender Bezug des Fremden zur Republik Serbien besteht“, sollen nach Serbien gebracht werden. Der ausreichende Bezug zu Serbien ist laut Inneministerium bei vielen Abgelehnten gegeben, denn „durch die Flucht über die Westbalkan-Route (weisen) viele Fremde einen ausreichenden Bezug zu Serbien auf“. Heißt: Wenn jemand in Österreich rechtskräftig abgelehnt wurde, nicht in sein Herkunftsland abgeschoben werden kann und nachweislich über Serbien in die EU gekommen ist, soll er oder sie nach Serbien zurückgebracht werden.

Im August 2021 gab es eine neuerliche parlamentarische Anfrage, in der die FPÖ nachgefragt hat, ob es diese Camps und Rückführungen jetzt schon gäbe. Nehammer hat etwas kompliziert und über 3 Ecken mit „Nein“ geantwortet. Sein Festhalten an der Vereinbarung und dass er sie auch immer mal wieder erwähnt ist wohl eher der Beruhigung seiner Wählerbasis geschuldet als einem realen Fortschritt bei der Einführung dieser Camps. Aber auch das muss man natürlich im Auge behalten. Am Westbalkan wird sich in den nächsten Monaten einiges tun.

 

Aktuelle parlamentarische Anfragebeantwortungen vom August 2021:

Umsetzung der Arbeitsvereinbarung mit Serbien: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_06904/index.shtml

Rückführungsplan mit Westbalkanstaaten: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_07173/index.shtml

Showreise am Westbalkan: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_07068/index.shtml