Frontex – die Abschiebemaschinerie der EU

Statewatch, eine europaweite NGO, die seit 1991 investigativen Journalismus und Forschung innerhalb der EU in den Bereichen Justiz, Inneres und Transparenz fördert, hat eine sehr umfangreiche Recherche zu Frontex veröffentlicht. Den kompletten Report (nur auf Englisch) findet man hier.

Für die, die nicht den ganzen Artikel lesen möchten, hab ich eine Zusammenfassung einiger wichtiger Punkte gemacht.

 

 

Frontex, die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, wurde 2004 gegründet und spielt seither eine immer wichtigere Rolle in der Koordination und Durchführung von Abschiebungen aus der EU. 2006 fand die erste Frontex-Abschiebung statt. Es war ein Flug nach Armenien und Georgien, auf dem 8 Personen aus Österreich, Frankreich und Polen abgeschoben wurden. 2017 hat Frontex bereits 153 Charterflüge organisiert, auf denen fast 7500 Personen abgeschoben wurden. Seit Inkrafttreten der Verordnug EU2019/1896 im Dezember 2019 kann Frontex jetzt auch auf eigene Initiative Abschiebungen koordinieren und organisieren. Die rechtlichen und finanziellen Bedingungen wurden in den letzten und kommenden Jahren immer weiter ausgebaut, sodass die Organisation von Abschiebungen weg von den einzelnen Ländern hin zu Frontex wandert. Frontex könnte von den einzelnen Staaten beispielsweise auch mit der Beschaffung von Reisedokumenten oder der Buchung von Linienflugtickets beauftragt werden. Ob Österreich diesen “Service” nutzt, ist nicht bekannt. Seit Neuestem bietet Frontex auch an, die “freiwilliger Rückkehr” zu organisieren. (siehe hier)

Zu Beginn hat Frontex nur “Joint Return Operations” organisiert. Das sind Charterflüge, an denen mindestens 2 Länder gemeinsam Personen außer Landes bringen. Daher kommt wohl auch das Gerücht, das sich hartnäckig hält, es brauche für Charterflüge die Kooperation von mindestens 2 Ländern. Das stimmt so nicht.

Frontex organisiert und bezahlt 3 Arten von Abschiebechartern:

  • Joint Return Operations (JROs): Möchte ein EU-Land eine Abschiebung durchführen und hat noch freien Platz im Flugzeug, meldet es das an Frontex und Frontex gibt diese Information weiter, sodass sich weitere Länder anschließen können.
  • National Return Operations (NROs): Seit 2016 finanziert und organisiert Frontex auch Abschiebungen für einzelne Länder alleine. Auch die Charter, die Österreich alleine durchführt, sind solche National Return Operations.
  • Collecting Return Operations (CROs): Das sind im Prinzip Flüge, mit denen der Zielstaat seine eigenen Staatsbürger*innen in der EU abholt. Das Flugzeug und die Begleitpersonen (etwa Polizist*innen) werden vom Zielstaat gestellt. Üblicherweise fliegt die staatliche Fluglinie (also etwa Georgian Airways oder Air Serbia). Frontex sagt, dass auch die Sicherheitskräfte auf solchen Flügen ein Training erhalten haben, um EU Richtlinien und vor allem Menschenrechtsstandards einzuhalten. Bis 2018 haben 5 Länder solche Charterflüge durchgeführt – Albanien, Georgien, Montenegro, Serbien und die Ukraine. (Anmerkung: Es besteht zumindest der Verdacht, dass in den letzten Jahren Flüge aus Deutschland nach Nordafrika auch zum Teil solche Collecting Return Operations waren). Ob solche Flüge auch Menschen aus Österreich zurück in ihre Herkunftsländer bringen, ist nicht bekannt.

Die aktuellsten Frontex-Zahlen zu Abschiebechartern sind aus 2019. Es gab damals 330 Frontex-Charter aus der EU in 40 verschiedene Drittländer. 10,903 Personen wurden so abgeschoben. Das sind im Durchschnitt nur 33 Personen pro Flug.

142 davon waren Joint Return Operations, 124 waren National Return Operations und 64 waren Collecting Return Operations.

Foto: Matthew Smith

Weil Charterflüge aber sehr teuer und nicht immer möglich sind, hat Frontex 2017 ein Pilotprojekt gestartet, um EU-Länder bei Abschiebungen auf Linienflügen zu unterstützen. Das Projekt war erfolgreich und Frontex hat diese Unterstützung in ihr reguläres Programm aufgenommen. Bis Ende 2019 wurden laut “Consolidated Annual Activity Report 2019” 6,259 Personen aus 25 EU-Ländern in 83 Drittstaaten auf Frontex-organisierten und -bezahlten Linienflügen abgeschoben.

Die Kosten und Frontex‘ Budget für Abschiebungen

Die Kosten für Charterabschiebungen unterscheiden sich erheblich je nach Zielstaat. Statewatch hat sich die Zahlen von 2009 bis 2018 angesehen. Am wenigsten kosten Abschiebungen im Schnitt in EU-nahe Länder – etwa nach Bosnien und Herzegowina (940 Euro pro Person), Serbien (1.400 Euro pro Person) oder Albanien (2.000 Euro pro Person). Die teuersten Abschiebungen gehen in Länder wie Guinea (12.000 Euro pro Person), Afghanistan (9.300 Euro pro Person) und Pakistan (8.300 Euro pro Person). Es gibt aber immer wieder unfassbare Ausreißer nach oben: Im Jahr 2016 hat Frontex etwa einen dänischen Charterflug bezahlt, mit dem 2 Personen nach Somalia abgeschoben wurden. Für über 75.000 Euro pro Person.

Das Budget, das Frontex jährlich für Abschiebungen zur Verfügung hat, ist seit 2009 signifikant gewachsen. Das Budget, das 2021-2027 dafür zur Verfügung stehen soll, stellt aber alles Bisherige in den Schatten. Sollte das Budget so bestehen bleiben (was noch nicht sicher ist), hätte Frontex die Mittel, um jährlich über 50,000 Personen abzuschieben. Auch wenn sich das Budget noch ändert, so ist doch die Richtung klar, in die’s in Zukunft gehen soll.

Screenshot: Statewatch