Frontex – die Abschiebemaschinerie der EU

Statewatch, eine europaweite NGO, die seit 1991 investigativen Journalismus und Forschung innerhalb der EU in den Bereichen Justiz, Inneres und Transparenz fördert, hat eine sehr umfangreiche Recherche zu Frontex veröffentlicht. Den kompletten Report (nur auf Englisch) findet man hier.

Für die, die nicht den ganzen Artikel lesen möchten, hab ich eine Zusammenfassung einiger wichtiger Punkte gemacht.

 

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Einblicke in die Praxis von Abschiebungen auf Charterflügen

(Artikel erschienen in Asyl aktuell 02/2020)

Rund um das Thema „Abschiebungen – Außerlandesbringungen – Rückführungen von Drittstaatsangehörigen“ gibt es viele Gerüchte, Halbwahrheiten und sehr wenig offizielle Informationen. Dazu kommt, dass die wenigen offiziellen Informationen weit verstreut sind und von Behörden, Ministerien und anderen Beteiligten nur häppchenweise bekanntgegeben werden. Ich habe deshalb in dieser Recherche über viele Monate versucht, die Puzzleteile zusammenzutragen, einander gegenüberzustellen und abzugleichen.

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War das der teuerste Abschiebecharter, den es aus Österreich je gab?

Letzten Donnerstag (29.4.) fand eine Charterabschiebung nach Georgien und Armenien statt, die von Österreich organisiert wurde und an der auch Griechenland teilgenommen hat. Frontex hat den Flug koordiniert und auch die Kosten übernommen. Laut BMI wurden 6 Personen abgeschoben – davon 4 aus Österreich und 2 aus Griechenland. Außer den 6 Abgeschobenen befanden sich laut Innenministerium Eskort-Beamt*innen, 1 Menschenrechtsbeobachter*in, 1 Arzt, 2 Sanitäter*innen und 2 Dolmetscher*innen an Bord. Gehen wir mal von 3 Eskortbeamt*innen pro Abgeschobenem aus (was auf einem Charter schon viel wäre). Das macht dann gesamt 30 Personen.

Die Abschiebung wurde von Smartwings durchgeführt, einer tschechischen Charterfluglinie, die neben Abschiebungen hauptsächlich Urlaubsflüge von Prag aus anbietet. Das Flugzeug war die OK-TVL, eine Boeing 737-800. Laut Smartwings-Homepage hat das Flugzeug 189 Sitzplätze (das ist das normale Sitzlayout ohne Businessclass). Für 30 Personen.

Foto: Hubay Andor, jetphotos

Es ist also am Donnerstag eine riesige Boeing mit Kapazität für fast 200 Personen von Wien nach Athen und weiter nach Tiflis und Yerevan geflogen und dann den ganzen Weg wieder zurück um 6 Menschen abzuschieben.

Wieviel dieser Flug tatsächlich gekostet hat, lässt sich mit öffentlich zugänglichen Informationen nicht so einfach beantworten und das BMI ist auch bei parlamentarischen Anfragen eher, sagen wir mal, zurückhaltend mit Antworten zu den Kosten einzelner Flüge. Aber wir können eine Annäherung versuchen. Es gibt ganz konkrete Zahlen zu den reinen Flugkosten von Abschiebungen aus Deutschland. Ein Charterflug nach Georgien hat 2020 von Deutschland aus ohne Zwischenlandung in einem weiteren Land etwa 90.000 Euro gekostet. Für Österreich gibt’s keine Zahlen für einzelne Flüge, aber eine Gesamtzahl. 1,8 Mio Euro wurden 2020 für 22 Charterflüge ausgegeben. Das sind 81.000 Euro pro Flug. Charter nach Bosnien etwa sind natürlich wesentlich billiger als Charter nach Afghanistan zum Beispiel. Und wahrscheinlich reichen die 81.000 Euro für einen Flug nach Georgien und Armenien mit Zwischenlandungen nicht. Allein die Zwischenlandung in Athen kostet laut Helenic Civil Aviation Authority für ein Flugzeug in dieser Größe 7.000 Euro. Sehr grob geschätzt kann man wohl von Flugkosten (und da reden wir noch gar nicht von den Personalkosten, Verpflegung, den Übernachtungskosten der Beamt*innen in Athen,…) von etwa 100.000 Euro ausgehen. Für die Abschiebung von 6 Menschen.

Das wären 16.000 Euro pro abgeschobener Person. 16.000 Euro ist es Europa und Frontex wert eine einzelne Person von Österreich nach Georgien zurück zu fliegen. Das ist absurd.

 

Die Rückkehrberatungseinrichtung Fieberbrunn

Foto: Sambukandama – CC BY-SA 4.0

Es gab bis zum Ausbruch der Pandemie 2020 drei Rückkehrberatungseinrichtungen, in denen abgelehnte Asylwerber*innen untergebracht und “auf die freiwillige Rückkehr vorbereitet werden sollen”: Schwechat, Fieberbrunn in Tirol und Bad Kreuzen in Oberösterreich (90 Plätze für Familien), zur Zeit sind nur mehr 2 in Betrieb (Tirol und Bad Kreuzen) – der Standort Schwechat wird derzeit als Quartier für die Heimquarantäne von Neuantragsstellern genutzt.

Laut BMI dienen die Rückkehrberatungseinrichtungen „zur Optimierung und Steigerung der Bereitschaft zu einer eventuell freiwilligen Ausreise“. Die Personen sollen dort Beratung zur Rückkehr erhalten, „um sie so zu unterstützen, ihrer rechtskräftigen Ausreisverpflichtung nachzukommen“.

Die Zuweisung in eine Rückkehrberatungseinrichtung des Bundes erfolgt durch das BFA. Dieses stellt einen Mandatsbescheid aus. Mit Zustellung beginnt die gesetzlich vorgesehene Frist von 72 Stunden, in der sich die Person in der Rückkehrberatungseinrichtung einfinden muß.

Die Rückkehrberatungseinrichtungen sind keine Gefängnisse – die Menschen können sich dort und im Bezirk frei bewegen. Es besteht allerdings eine Wohnsitzauflage (gemäß §57 Abs.1 FPG) Befolgt man die Wohnsitzauflage nicht, (kommt also der Aufforderung, nach Fieberbrunn zu gehen, nicht nach), so begeht man eine Verwaltungsübertretung (Geldstrafe von 100 bis 1000 Euro oder Freiheitsstrafe bis zu 2 Wochen beim ersten Mal). Neu ist seit 2019, solche Verwaltungsstrafverfahren automatisiert (und damit auf jeden Fall) eingeleitet werden, wenn man sich nicht fristgerecht im jeweiligen Quartier meldet oder von dort unerlaubt fernbleibt. Ein Nichtbefolgen der Wohnsitzauflage kann außerdem dazu führen, dass das BFA Fluchtgefahr annimmt und so laut BMI „auch die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung möglich ist.“

Rückkehrberatungseinrichtung Fieberbrunn

Foto: Doris Schneidtinger

Die Rückkehrberatungseinrichtung Fieberbrunn liegt auf 1250 Meter Seehöhe in der Nähe des Bürglkopf, ca. 10 km entfernt vom Ortsgebiet von Fieberbrunn. (Trixlegg 12, 6391 Fieberbrunn) Die letzten 4 oder 5 Kilometer vom Ort hinauf ins Quartier sind unbefestigter Forstweg durch den Wald.

Am 1.11.2017 wurde das Quartier zur Rückkehreinrichtung. Es gab im Dezember 2019 Kapazitäten für 140 Personen. Neuere Zahlen gibt es nicht.

Betreiber der Einrichtung ist seit 2015 die Schweizer ORS Service GmbH, die alle Bundesquartiere betreibt.

2018 wurde 542 Menschen mittels Wohnsitzauflage aufgetragen, nach Fieberbrunn zu gehen. 84 Personen sind dem nachgekommen und nach Fieberbrunn gegangen. (15%)

2019 haben 486 Personen eine solche Wohnsitzauflage bekommen, nur 64 sind dieser auch nachgekommen. Das sind 13%.

Mit Ende September 2020 befanden sich 25 Personen aus 12 verschiedenen Ländern in Fieberbrunn, die meisten aus dem Iran, dem Irak und China (je 4).

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Was ist eigentlich mit den Containern passiert, die Österreich im Frühling nach Griechenland geschickt hat?

Ich hab mich auf eine Spurensuche gemacht. Und das kam so: Der Standard hat gestern einen Artikel unter dem Titel “Winterfeste Zelte aus Österreich für Flüchtlinge auf Lesbos aufgestellt” gepostet.

In dem Artikel befindet sich oben stehendes Foto vom BMI mit den geschickten Containern – die Bildunterschrift, wonach das Foto aus Lesbos ist, wurde inzwischen geändert und auf Twitter hat Doro Blancke nachgefragt, woher das Foto eigentlich stammt und wo die Container jetzt sind. Ich hab vor ca. einem Jahr begonnen, mich mit Open Source Intelligence und Geolocation zu beschäftigen und dachte, das ist eine gute Lockdownbeschäftigung. Wäre doch gelacht, wenn sich nicht herausfinden ließe, wo das Foto aufgenommen wurde. Ganz so einfach war’s dann nicht, aber ich hatte Hilfe von wunderbaren Leuten aus der OSINT community und wir haben den Standort gefunden, an dem das Foto gemacht wurde – nämlich ziemlich weit weg von Lesbos, an der bulgarisch-griechischen Grenze im Camp Kleidi.

Für alle, die’s interessiert, erklär ich hier noch, wie wir das gemacht haben:

Das Foto ist nicht aus KaraTepe – soviel ist klar. Aber wir können mal davon ausgehen, dass es in Griechenland ist. Und dass das Camp relativ neu ist, weil es sehr aufgeräumt und leer aussieht. Das erste was ich gemacht hab, war eine Reverse Image Suche, mit der gesucht wird, ob das Bild oder ähnliche Bilder schon mal woanders aufgetaucht sind. Leider nein. Bestätigen konnte ich mit der Suche allerdings, dass es sich wirklich um die Container aus Österreich handelt (und das ist ja auch schon was).

OK, what next? Ich hab mit Google nach neuen Camps in Griechenland gesucht und ein Containercamp in Samos gefunden. Wär ja zumindest in der Nähe von Lesbos. Google maps hat allerdings gezeigt, dass sich das Camp auf einer großen freien Fläche befindet und das Foto zeigt ja einen schmalen Streifen mit Erhebungen rechts und links. Also wieder nix.

Klaus Schwertner hat inzwischen auf Twitter gemeint, die Container könnten noch dort stehen, wo sie hingeliefert wurden. Gut – eine Suche ergab, dass die Container von Österreich aus mit dem Zug angeliefert wurden. Der Grenzübergang der Bahn befindet sich in der Nähe von Kulata – also vielleicht ein Camp an der Grenze? Eine Googlesuche hat mich dann zu einer Seite geführt, auf der alle griechischen Camps aufgelistet sind. Und es gibt tatsächlich ein Camp an der bulgarisch-griechischen Grenze, das im März 2020 eröffnet wurde.

Auf Google earth (https://bit.ly/36p2WQ9) sieht man dann auch, dass es dort genauso aussieht, wie auf dem Foto. Google earth hat natürlich keine aktuellen Satellitenbilder, deshalb stehen dort auch noch Zelte, aber der schmale Streifen ganz hinten sieht sehr passend aus. Eine Bildersuche nach dem Camp ergab dann noch Bilder von Getty Images (https://www.gettyimages.at/…/the-closed-camp…/1207930478) auf denen man das Camp und den freien Streifen gut erkennen kann. Ich hab dann noch auf google earth den Streifen nachgemessen (Breite: 22,5 Meter) und gegoogelt, wie breit so ein Container ist, um die Breite auf dem Foto nachmessen zu können – kommt hin.

Ein Journalist aus meiner Twitter-OSINT-bubble hat dann noch mit Hilfe der Sonnenkollektoren auf dem Foto festgestellt, dass das Foto aus nord-östlicher Richtung aufgenommen wurde, was den Standort auch bestätigt. Leider konnten wir keine aktuellen Fotos des Camps finden, auf dem die blauen Container zu sehen sind. Aber ich glaube, man kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass zumindest ein Teil der österr. Container an der bulgarisch-griechischen Grenze gelandet sind – in einem Camp, in dem Menschen festgehalten werden, bevor sie abgeschoben werden. (https://www.humanrights360.org/…/During-After-Crisis…)