2 Charter in einer Nacht

In der Nacht von 15.6. auf 16.6.2021 fand aus Österreich nicht nur eine Charterabschiebung statt, sondern gleich zwei. Trotz Pandemie, trotz immer noch eingeschränktem Flugverkehr, trotz Kritik an Frontex von allen Seiten hat Europa die Abschiebemaschinerie wieder voll hochgefahren. Daran gibt es nach heute Nacht wohl keinen Zweifel mehr.

Georgien und Pakistan

Der erste Charter ging nach Georgien und Pakistan und wurde von Griechenland organisiert. Österreich und Tschechien haben sich daran beteiligt. Das Flugzeug der Smartwings ist um 18:06 Uhr in Wien gestartet und nach Zwischenstopps in Athen und Tiflis um 09:00 Uhr morgens in Islamabad gelandet.

Screenshot: flightradar24.com

Smartwings ist eine tschechische Billigfluglinie, die vor allem Flüge von Prag aus in Urlaubsdestinationen wie Dubai, Hurghada und Antalya anbietet. Schon 2018 war Smartwings aber auch die Fluglinie, die die meisten Abschiebecharter aus Deutschland geflogen ist. Besonders 2021 waren sie auch für Österreich sehr aktiv und haben Menschen in die Türkei, nach Georgien, Armenien und in die Russische Föderation abgeschoben.

Laut Innenministerium wurden aus Österreich 4 Personen nach Georgien und 2 Personen nach Pakistan abgeschoben. Insgesamt waren 28 Abzuschiebende an Bord.

Afghanistan

Das Ziel des zweiten Charters war Afghanistan. Abflug in Wien um 21:26 Uhr und nach einem Zwischenstopp in Stockholm die Landung in Kabul um 09:19 Ortszeit am Morgen des 16.6. Dieser Flug wurde wie die Letzten auch von EuroAtlantics durchgeführt.

Auch die beteiligten Länder sind gleich geblieben. Auf dem Flug befanden sich laut BMI 3 Personen aus Schweden, 6 aus Österreich, 2 aus Bulgarien und 20 aus Rumänien. Den Zubringerflug von Bukarest nach Stockholm hat wie schon beim letzten Mal Smartwings durchgeführt – die Gesellschaft, die heute auch den Pakistancharter fliegt.

Masoud Akbari, wikimedia (CC BY-SA 3.0)

Der Charter nach Afghanistan kommt zu einer Zeit, in der sich die ohnehin schon prekäre Sicherheitslage durch den Abzug der ausländischen Truppen noch verschlimmern wird. Die renommierte New York Times führt seit Jahren einen “Afghan War Casualty Report“, in dem das ganze Ausmaß dieses Kriegs Woche für Woche dokumentiert wird. Allein in den ersten 10 Tagen dieses Monats sind 327 Sicherheitskräfte und 82 Zivilist*innen bei Anschlägen ums Leben gekommen.

In den letzten Tagen wurden außerdem 2 Berichte über die Situation  Abgeschobener in Afghanistan veröffentlicht. Einer von Friedericke Stahlmann im Auftrag der deutschen Diakonie und Brot für die Welt (“Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen“), ein zweiter von der schwedischen Organisation Delmi, der sich mit Abgeschobenen aus Schweden befasst. (“Those who were sent back: Return and reintegration of rejected asylum seekers to Afghanistan and Iraq“)

Herat, Anuradha Sengupta on flickr, (CC BY-ND 2.0)

Beide zeichnen ein erschütterndes Bild. Die Abgeschobenen sind einem hohen Maß an Gewalt ausgeliefert. Ohne bestehende soziale Netzwerke, die viele nach Jahren in Europa nicht mehr haben oder nie hatten, weil sie im Iran oder Pakistan aufgewachsen sind, ist der Zugang zu Arbeit oder einer Unterkunft fast unmöglich. Viele sind zusätzlich bedroht, weil es Gerüchte gibt, sie seien in Europa “vom Islam abgefallen” oder weil angenommen wird, sie seien in Europa straffällig geworden und deshalb abgeschoben worden. Dazu trägt auch die mantraartige Wiederholung der falschen Behauptung bei, es würden nur Straffällige abgeschoben.